Ob im Pacific-Center in Berlin, im Nagelstudio in Saarbrücken oder in asiatischen Restaurants in Kaiserslautern – überall in Deutschland fanden in der letzten Woche Razzien von Polizei und Zoll in vietnamesischen Geschäften statt.
Vom 12. bis 18. Juni 2023 wurden solche Kontrollen von Europol sogar europaweit initiiert, in Deutschland hat sie das Bundeskriminalamt organisiert. Ziel war das Vorgehen gegen Menschenhandel mit dem Schwerpunkt der Arbeitsausbeutung. Es ging darum, Informationen über Ausbeutung, Menschenhandel und Zwangsarbeit zu sammeln, kriminelle Gruppen zu bekämpfen.
Im Saarland haben die Ermittler 23 Fälle von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung in elf Betrieben gefunden. Sechs Arbeitgeber sollen sie illegal beschäftigt haben. Die Leute hatten keine Arbeitserlaubnis für Deutschland und sollen zumeist auch weniger verdient haben als den gesetzlichen Mindestlohn. Personen ohne Aufenthaltserlaubnis wurden vorläufig festgenommen.
Aus Sicht der Ermittlungsbehörden liegt eine Ausbeutung der Arbeitskraft dann vor, wenn jemand eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die beispielsweise mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, durch eine Beschäftigung ausbeutet. Wenn sich diese Leute illegal in Deutschland aufhalten, wird dann auch oft wegen Menschenhandel ermittelt. Oft lässt sich dieser schwere Tatvorwurf vor Gericht aber nicht bestätigen.
Es gibt bei solchen Themen eine große Differenz der Wahrnehmung der Polizei und der Betroffenen. Während die Polizei Leute ohne legalem Aufenthalt, die in einem Nagelstudio für wenig Geld arbeiten, als Opfer von Menschenhandel sieht, sehen diese Leute selbst sich meist nicht als Opfer. Weil es für sie keine legalen Einreisewege nach Europa gibt, müssen sie sich der Hilfe von Schleppern und zeitweisen Arbeitgebern bedienen, die sie jedoch sehr selten als Ausbeuter ansehen. Da viele Landsleute, die bereits in Europa leben, auch große Geldsummen zur Unterstützung ihrer Familien nach Vietnam schicken, haben sie keinen Zweifel daran, dass auch sie hier eine gute Zukunft erwartet. Und wie Aussagen von Vietnamesinnen vor dem Berliner Landgericht zeigen, nehmen es einige zwar nicht freudig, aber als notwendigen Zwischenschritt inkauf, sich ein oder zwei Jahre in Berlin zu prostituieren, um die Schulden für die Flucht nach Deutschland abzuzahlen.
Marina Mai