„Der Rechtsanwalt, der seinen Mandanten anklagt“ – ein tödlicher Schlag gegen den vietnamesischen „Rechtsstaat“

Artikel 19 des Gesetzentwurfes sieht einige Änderungen und Ergänzungen im vietnamesischen Strafgesetzbuch vor. Dieser Artikel wird zurzeit von der Nationalversammlung besprochen und beinhaltet die Strafverfolgung eines Rechtsanwaltes, wenn dieser seinen Mandanten nicht wegen der „Bedrohung der nationalen Sicherheit“ sowie besonders schwerwiegende Straftaten anklagt. Wenn die Gesetzesänderung akzeptiert werden sollte, ist das ein tödlicher Schlag gegen den „sozialistischen Rechtsstaat“ Vietnams, der bis heute von einigen Ländern noch nicht anerkannt wurde.

In einem Rechtsstaat stehen die Verfassung und das Gesetz an oberster Stelle. Die Judikative ist dabei unabhängig von der Legislative und der Exekutive. All deren Entscheidungen basieren auf der Verfassung und dem Gesetz. Vor dem Gericht gilt: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“. Man kann sich die Richter wie Schiedsrichter vorstellen. Sie sind unparteilich und berufen sich allein auf die Gesetze, um die verschiedenen Ansichten zwischen Ankläger und Angeklagten und seinen Rechtsanwalt abzuwägen. Der Ankläger und der Staatsanwalt suchen nach Beweisen, um den den Ankläger schuldig zu machen. Währenddessen sucht der Rechtsanwalt nach Wegen, um den Angeklagten unschuldig zu machen oder zumindest seine Schuld zu vermindern.

Im Falle, dass der Rechtsanwalt seinen Mandant ebenfalls anklagt, ist es wie als würde es ein doppelter Anschlag sein: einer vom Ankläger und noch einen vom eigenen Rechtsanwalt, der seinen eigenen Mandanten „verraten“ hat. Ist eine Gerichtsverhandlung somit noch objektiv? Wenn nur ein einziger Rechtsanwalt seinen eigenen Mandanten anklagt, wie steht es dann um das Ansehen der anderen rund 10.000 vietnamesischen Rechtsanwälte? Wer holt sich noch einen Rechtsanwalt, damit dieser einen verteidigt oder die eigenen Rechte beschützt?

Wenn man sich die Gerichtsverhandlung mit einer politischen Färbung der vergangenen Zeit ansieht, so sieht man, dass in Wahrheit die Verteidigung des Rechtsanwaltes nicht das finale Urteil, welches schon vorher feststand, verändern konnte. Doch, wenn man sich die Verhandlungen zwischen dem Ankläger und dem Rechtsanwalt anhört, dann kommt man zu einem eigenen Schluss. Dabei spielt dann das Urteil des Gerichts keine Rolle mehr und das verbirgt Konfliktpotenzial für die Gesellschaft in der kommenden Zeit.

Die Debatten in der Nationalversammlung erlauben den Bürgern einen Blick in die aktuelle Debatte. Einige Abgeordnete sind deutlich gegen diese Gesetzesänderung, dennoch gibt es auch Leute, die deutlich dafür sind, wie Nguyen Thi Thuy, Abgeordnete für die Provinz Bac Kan.

Das Volk hofft sehr darauf, dass die Abgeordneten mit Kopf über die Gesetzesänderung entscheiden, damit Vietnam zu einem echten Rechtsstaat wird und ebenfalls von der internationalen Gesellschaft als solche anerkannt wird.

Trung KhoaThoibao.de

 

Die Abgeordnete Nguyen Thi Thuy (Provinz Bac Kan) hat einen Doktortitel in Rechtswissenschaften und sorgte in der Nationalversammlung am 24.05.2017 für Aufsehen. Sie schlug vor, dass ein Rechtsanwalt, der nicht seinen Mandaten anklagt, ebenfalls zum Täter wird.

 

Rechtsanwalt Nguyen Van Chien sagt in der Nationalversammlung am 24.05.2017: „Ein prozesssüchtiger Rechtsanwalt könnte jetzt in der Klemme stecken: Wenn ein Rechtsanwalt nicht dem Artikel 19 des Strafgesetzbuches folgt, dann könnte er selbst zum Verbrecher werden. Aber wenn der dem Artikel 19 des Strafgesetzbuches folgt, dann klagt er ja seinen eigenen Mandaten an und der Mandant könnte wiederum seinen Rechtsanwalt wegen Rufmordes anklagen.“

[1] Präsident Ho Chi Minh: Ich rufe alle Mitbürger, egal männlich oder weiblich, ab 18 Jahren, dazu auf, heute zur Wahl zu gehen und diejenigen Abgeordneten zu wählen, die der ersten Nationalversammlung unseres Landes gerecht sind.

06.01.1946, gez. Ho Chi Minh